Die Elo des Computers ist weitgehend statisch. Die des Menschen ist hingegen dynamisch geprägt. Im Falle eines Formtiefs ist dieser Fakt natürlicherweise ein Minuspunkt. Das gilt vor allem dann, wenn sich Verlustpartien nahtlos aneinanderreihen.
Die Maschine interessiert das überhaupt nicht. Das ist definitiv ihr Pluspunkt, weil sie arbeitet am Gewinn bis zur letzten Partie. Maschinen agieren deshalb statisch, weil diese, abgesehen vom Zufallsgenerator, sich niemals gegen die Stärken des Menschen vorbereiten kann. Die Lernfähigkeit eines Programms in den Neunzigern war im besten Fall noch in den Anfängen. Erst die späteren Schachengines auf den Rechnern hatten diese Fähigkeit zunehmend, wenngleich diese nie mit der des Menschen vergleichbar sein wird. Das ist der Nachteil der Maschine. Der Direktvergleich ist nun mal nicht einfach.
KI-Prinzip: hier wird es natürlich interessanter, weil alle jemals gespielten Partien mit einbezogen werden können. Diese Methode ist mehr und mehr im Kommen. Die Zeit wird zeigen, inwieweit sie sich durchsetzt. Vorstellbar ist hier einiges. Im Sinne des unbegrenzten und eigenständigen Lernens. Jetzt aber noch mal ein Rücksprung zu Schachcomputern allgemein. Wie es Jahrzehnte ablief.
Mit anderen Worten, wenn auch die strategische Anlage der Partie eines Rechenmoduls auf Zugvorausberechnung basiert, wobei es wieder nicht unwesentlich ist, ob diese selektiv (vertikal) stattfindet oder im Brute-Force-Prinzip (horizontal) in die Breite gerechnet wird. Bis zu einer gewissen Rechentiefe wird jedoch selbst ein Mephisto I von 1980 keinen strukturellen Fehler übersehen und sei dies nur in Form eines Matts in zwei Zügen.
In Zeitnot und in unübersichtlichen Situationen kann dies plötzlich auch einem Meisterspieler widerfahren.
In einer Art Blackout während einer Partie.
Taktisch wird das obengenannte Modell allerdings keinen Stich machen und schnell verlieren. Deshalb ist das Beispiel natürlich nicht besonders maßgebend, aber es zeigt interessante und grundsätzliche Aspekte auf. Schließlich hat Mephisto seine Entwicklung über die Achtziger Jahre vorangetrieben und ein modulares System eingesetzt, welches sich innerhalb von etwa 10-12 Jahren zwar langsam, aber doch entsprechend verbesserte.
Die anfängliche Leichtigkeit eines engagierten Freizeitspielers, nach einigen Jahren selbst spielerischer Erfahrung ein Schachprogramm zu dominieren, war damit erheblich mehr den anstehenden Herausforderungen gewichen.
Die Geräte der Spätachtziger und frühen Neunziger konnten sich hinsichtlich Taktik, positioneller Spielweise und implementiertem Schachwissen (Endspiel, Bauernstrukturen ect.) durchaus sehen lassen.
Die Modulintelligenz wuchs zur echten Konkurrenz heran, die mehr und mehr in der Lage war, selbst Liga-/oder gar Meisterspielern gelegentliches Kopfzerbrechen zu bereiten. Interessant ist es immer, wenn man sich die Computerturniere selbst ansieht. Da gelingt es einem Mephisto MM V eben schon mal sich ein Unentschieden gegen den Mephisto Atlanta oder Genius 68030 zu holen.
In Schachforen gibt es Leute, die dokumentieren, das sich an den letzten beiden Kandidaten, auch einige Großmeister die Zähne ausgebissen haben. Zumindest während des ersten Aufeinandertreffens, z.B. Aegon Turniere, als die Spielweise des Gerätes noch weniger bekannt war. Das sind zum Teil einfach Fakten, andernteils existieren andere Aussagen, die sicher subjektiv zu bewerten sind, weil man sie nicht belegen kann. Vorsicht ist also bei solchen Dingen immer angebracht.
Doch ist es vorstellbar, das solche Fälle auch so vorgekommen sind, wenngleich ich davon ausgehe, das ein GM ein Turnier auf 12 Partien gegen den Mephisto Atlanta schon gewinnen würde. Denn ähnlich wie in vielen WM-Matchaustragungen könnte er sich auf diesen Gegner durchaus effizient vorbereiten. Deshalb glaube ich, das durch die Aufdeckung gewisser Eröffnungs-/und Endspielschwächen leicht ein Vorteil zu gewinnen wäre.
Trotzdem wird es immer schwerer sein gegen eine Maschine, die vergleichbarer Spielstärke ist, anzutreten, weil hier sowohl der mediale Druck größer ist (denn hinter den Maschinen stehen schließlich Leute, die das Teil vermarkten möchten) als auch irgendeine Art der Formschwäche seitens der Maschine ausgeschlossen werden kann, die ein menschlicher Gegner durchaus mal schnell aufweisen kann und sei es der psychologische Effekt. Der ist niemals als ganz gering einzustufen.
Gerät der Computer in Rückstand, so stört ihn diese Tatsache überhaupt nicht. Es verursacht ihm keine schlaflosen Nächte während des Turniers.
Es beeinträchtigt auch nicht seine Motivation, wenn er beispielsweise 6x mal hintereinander verloren hat.
Einen menschlichen Turnierspieler knockt dieser Rückstand vermutlich komplett aus.
Ein deutlicher Nachteil der Maschine ist allerdings, wenn sie selbst durch taktische oder andere Schwächen ins Hintertreffen gerät, keine Optionen planen kann, die sie wieder auf die Siegerstraße bringen würde.
Dies verschafft dem Menschen die Gelegenheit, sich auf das Programm zu konzentrieren und seine Fehlerlastigkeiten genau unter die Lupe zu nehmen.
Ein Nachteil für die Recheneinheit. Falls genügend Vorbereitungszeit gegeben ist.
Ein Mephisto Atlanta kann zudem keine selbständige Analyse des Gegners vornehmen. Beispielsweise aus den Fehlern der Partie lernen. Ausnahmen bilden sehr moderne Programme oder in geringer Form der Novag Diamond, der sich in ca. 140 Positionen verbessern kann.
Am Rande bemerkt: sieht man sich die Statistiken von Computerturnieren an, so erkennt man, das sich die Ranglistenoberen mit den sogenannten Schlusslichtern des öfteren nicht ganz so leicht tun. Schon witzig, weil Computer nicht emotional agieren. Hier gibt es interessante Parallelen zu den Turnieren menschlicher Schachspieler. Darauf möchte ich aber später noch mal zurückkommen.